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PETRA LOTTJE

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PETRA LOTTJE
TIMECODE

29. April – 6. Mai 2017
Eröffnung: 28. April 2017, 18–21 Uhr

 

Foto: Michael Jungblut, ©Petra Lottje

 

„An unserer Sprache, unserer Rhetorik können wir feilen. Doch was der Rest des Körpers währenddessen tut, ist viel schwerer beeinflussbar. Gesten oder Bewegungen sind viel aussagekräftiger als Worte – allein in der menschlichen Mimik gibt es laut Forschungsergebnissen über 10.000 Mikroausdrücke. TIMECODE kommt ohne Worte aus.“ (Petra Lottje)

Ein romantisches Fotoshooting. Ein nicht mehr ganz junges Paar mit einer Taube.
In einer kammerspielartigen Situation des im Zentrum von TIMECODE stehenden 2 Kanal-Videos findet sich der Betrachter in der Perspektive des nicht sichtbaren Fotografen wieder. Durch Zeitlupe, Bildtrennung und den fast vollständigen Verzicht auf Ton offenbart sich, was sonst verborgen bleibt: Die detaillierte Mimik und Gestik enthüllt ein Pendeln zwischen nach außen gewandter Inszenierung und der Besinnung auf das Paarsein, ein wiederholtes Abreißen und Wiederaufnehmen von Kommunikation, die Nähe und Distanz der Protagonisten sowohl im räumlichen als auch die von ihnen gespielte Rolle betreffend.

Die festgehaltene und bis zuletzt nicht freigelassene Taube als fragiler Schützling und Symbol zugleich, wird stetig zwischen den Partnern hin-und hergereicht, erhält schließlich mehr Aufmerksamkeit als die Personen sich gegenseitig schenken, ist gleichzeitig Bindeglied und Störfaktor. Liebevolle Zärtlichkeit und Intimität sind im Laufe der kurzen Aktion ebenso zu finden wie Unsicherheit, Verletzlichkeit und Einsamkeit. Der konzentrierte Blick in die Handlung und die große Nähe zum Geschehen lassen auch kleinste Regungen verstehen, ermöglichen eine Identifikation und das Erkennen des Extremen im Detail: Tief im Verhalten verankerter Narzissmus wird ebenso sichtbar wie das unterschwellige Ringen um Behauptung, Manipulation und Macht im Spannungsverhältnis zum bewussten Gefühl der Verantwortung füreinander und zur gegenseitigen Rücksichtnahme.

In kontraststiftender Ergänzung hierzu steht der zweite Film der Installation, der das Geschehen in Echtzeit wiedergibt. Er bietet dem Zuschauer eine distanziertere Perspektive auf das nun harmonisch wirkende Paar mit der Taube und entlarvt zugleich die Wahrheiten, die wir in unserer tagtäglichen Wahrnehmung zu finden glauben. Transparent darübergelegt ist die hoch symbolisch und assoziativ aufgeladene Aufnahme von Federn und Eiern sowie toten und lebendigen Tauben.

Derweil werden die während des Shootings entstandenen Fotos mit dem bereits gewonnenen Hintergrundwissen zum ambivalent anmutenden Beweisstück und lassen den Betrachter nach Indizien für all jenes suchen, was das Foto letztendlich nicht vollends preiszugeben vermag.

Mit brillanten Schauspielern (Corinna Kirchhoff und Matthias Neukirch), einfühlsamer Kamera (Andreas Gockel) und einer klaren, reduzierten Bildsprache zeigt Petra Lottje eine sensible, spannungsreiche und intensive Nahaufnahme des kleinen, aber komplexen Kosmos Beziehung. Ohne durch Hintergründe, Dialoge oder Umgebungsbeschreibungen eine konkrete Erzählung zu gestalten, schafft diese Arbeit es, dem Zuschauer eine Essenz des menschlichen Miteinanders sichtbar zu machen, die berührt und uns zu bewegen vermag, über diese kleinste gesellschaftliche Einheit weit hinaus nachzudenken. 

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